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Axel Reese, freier Redakteur für Wassersport Magazine, sprach mit Thilo von Osterhausen, dem Leiter der Produktentwicklung bei GUNSAILS, um mehr über seine Arbeit, seine Projekte, seinen Werdegang und seine Leidenschaft für Innovation zu erfahren.

Die Ankündigung darf als Nachricht des Jahrzehnts gewertet werden: Gunsails hat kürzlich das Wavesegel Seal aus recycelten Materialien und damit das nachhaltigste Windsurfsegel der Branche herausgebracht! Bei unveränderten Fahreigenschaften und unveränderter Langlebigkeit ist es das erste Windsurfsegel aus komplett recycelten Materialien. „Unser Testteam und Teamfahrer haben keine Unterschiede in der Performance feststellen können und auch Langzeittests mit viel Sonnenstunden haben auch bei der Langlebigkeit keine Nachteile gezeigt“, ist Thilo von Osterhausen, Chefentwickler im Hause Gunsails begeistert, „unsere Teamrider werden im Wave World Cup mit diesem Segel am Start sein“.

Auch das Sailbag ist komplett aus diesen nachhaltigen Materialien gefertigt: Alles wird aus recycelten PET-Flaschen produziert. Hierfür hat das Produktmanagement eine Zusammenarbeit mit einem neuen Materiallieferanten begonnen. „Begonnen?“ merkt Thilo von Osterhausen an, „wir haben hieran bereits seit ein paar Jahren gearbeitet und sind glücklich und stolz, es nun im Markt einführen zu können“. Das Wavesegel Seal ist 40 bis 50 Euro teurer als die Ausführung in herkömmlichen Materialien. „Diese Neuerung kommt aus unserer Überzeugung, nachhaltigere Produkte zu entwickeln und Innovationen hervorzubringen“, ist Jörg Müller, Marketingchef, sicher. Es ist der Plan, mittelfristig auch die gesamte Segelkollektion „grün“ zu machen, so die Gunsails Verantwortlichen.

Gunsails mit Entwicklungskompetenz und –power
„Ich bin nur am Entwickeln“ haut Thilo von Osterhausen gleich mehrmals während unserer Gespräche raus. Thilo hat das „Entwickeln“ in seinem Studium gelernt, Grundlage war die „Produktentwicklung und das Erzeugen und Modellieren von Innovationen“, strahlt der Wirtschaftsingenieur, oder genauer „Master of Technology and Management“, der sein Studium an der TU München absolvierte. Er ist schnell wieder in seiner Welt von Ideen und Erfindungen, immer mit dem Ziel, auch wirtschaftliche Umsetzungen damit in Verbindung zu sehen, die dann auch am Markt tatsächlich erfolgreich sein sollen. Dahinter steht immer ein Veränderungsprozess zu etwas „Neuem“ hin, das ist es, was den 32 jährigen antreibt. Produkte und Prozesse werden neu überdacht, hinterfragt und verbessert oder grundlegend verändert, um dieses so zu erreichen.

Drehen wir die Zeit um fünf Jahre zurück. Thilo von Osterhausen, frisch diplomiert, steigt beim Segeldirektversender Gunsails ein. Die Firma wurde von seinem Vater Eberhard von Osterhausen 1987 gegründet. 2004 verunglückt Eberhard bei einem Unfall mit einem Leichtflugzeug tödlich. Thilos Mutter Petra von Osterhausen führt seit jenem Zeitpunkt als Geschäftsführerin die Geschicke der Firma. Als federführender Entwickler treibt Thilo seitdem Prozesse und Innovationen im Hause voran und ist zudem auch für das Branding der Marke Gunsails verantwortlich. Thilo war zu früheren Zeiten Snowboard-Profi, heute genauso leidenschaftlich Wellenreiter und mit Kanoa gründet er zudem seine eigene Surfboard Marke. Wellenreitboards werden weltweit seit jeher als Boards mit PU Schaum und einem Laminat aus Glasfaser produziert. Und dann die Sensation, Thilo entwickelt schon früh die Honey Roots Technologie (HRT), welche die Langlebigkeit und Nachhaltigkeit der Boards um ein Vielfaches verbessert. 2020 gewinnt er mit der „HRT“-Technologie die ISPO Brandnew Selection. „Revolutioniert ein Deutscher Wirtschaftsingenieur die Surfboard-Industrie?“ titelte die Fachpresse bereits.
„Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich mich der Windsurf Gemeinde erstmal vorstellen muss, bisher habe ich ja fast nur hinter den Kulissen agiert“, strahlt er uns an.

Fragen an Thilo von Osterhausen über das weltweit erste Segel aus recycelten Materialien, über die Boardtechnologie HRT, weitere neue Produkte und den Wandel im Hause Gunsails. Und einen Ausblick auf das, was noch kommen soll.

Re-Seal

Die Nachricht darf als sensationell bewertet werden. Was war eure Initialzündung für die Entwicklung hin zu einem Segel, welches zu 100 % aus recycelten Materialien besteht?
In meiner Composite Entwicklung arbeitete ich von Tag eins mit möglichst nachhaltigen Materialien wie Bio Harzen, recycelten Schäumen und Naturfasern. Mir gelang es, konventionelle Materialien zu ersetzen und dabei teilweise sogar die Eigenschaften zu verbessern. Somit war es für mich ziemlich naheliegend, dass dieser Ansatz nicht nur bei Boards, sondern auch bei Segeln funktionieren muss. Also machte ich mich auf die Suche und wir begannen zu entwickeln.

Und am Ende des Weges wird die gesamte Sailrange „grün“ werden?
Das ist definitiv das Ziel und nach den ersten überragenden Feedbacks zu dieser Innovation werden wir diesen Weg auch mit der nötigen Unterstützung und Kundenakzeptanz beschreiten können. Schon für 2023 werden sich weitere Modelle mit dem Kürzel “RE” -für recycelt- schmücken dürfen. Um jedoch wirklich 100 % nachhaltige Segel zu gestalten, werden wir uns zusätzlich der Herausforderung der Kreislaufwirtschaft stellen.

Erkläre uns bitte, was hinter der Honey Roots Technologie „HRT“ steckt?
Es handelt sich dabei um eine neue Composite- aber auch Surfboardkonstruktion, in der das Laminat (die Außenhaut) in Form einer dreidimensionalen Struktur (Roots) im Kern verankert ist. Diese Struktur kann nach Belieben variiert werden und die Parameter Flex, Torsion und Dämpfung dementsprechend eingestellt werden. Gleichzeitig erhöht sich die Druckfestigkeit des Laminats und das Risiko von Delaminierungen wird deutlich verringert. Durch den Wandel seiner Eigenschaften kann sich HRT an die Bedürfnisse fast jeden Boards anpassen. Man wählt beispielsweise größere Strukturen für weicheren Flex und kleinere Strukturen für härteren Flex und höhere Druckfestigkeit. Eine Kombination daraus ist ebenfalls möglich, um verschiedene Flex-Zonen oder besonders widerstandsfähige Bereiche zu erzeugen.

Durch die verbesserten Eigenschaften können wir herkömmliche Materialien wie Carbon- und Glas durch Naturfasern oder recycelte Materialien ersetzen. Neben nachhaltigen Materialen eröffnet die Technologie das Potential den Produktionsprozess selbst ressourceneffizienter und schonender zu gestalten.
Dabei vermeidet HRT die Probleme, die beispielsweise partielle Verstärkungen wie Carbon Tapes, Stringer oder ähnliche Verstärkungsmethoden mit sich bringen. Die partiellen, teils gravierenden Materialunterschiede führen zwangsläufig zu Spannungsspitzen und folglich zu Mikro-Delaminierungen. Der Grund, warum jede Art von Surfboard mit der Zeit seine Eigenschaften und “Lebendigkeit” verliert.

HRT
Kanoa Surfboards

In deiner Entwicklung konntest du auf das Know-How der renommiertesten Leichtbau Universitäten Deutschlands zurückgreifen. Wie kommt es dazu?
Ich habe die Technologie damals eigeninitiativ und im Rahmen meiner Masterarbeit an der TU München entwickelt. Daraufhin habe ich mich um ein staatlich gefördertes Kooperationsprojekt bemüht, um finanzielle und wissenschaftliche Unterstützung zu erhalten.
Dank der Zusammenarbeit mit der TU Chemnitz und der RWTH Aachen konnte ich mich auf die reine Materialentwicklung konzentrieren, während die Lehrstühle zahlreiche Versuche und Untersuchungen mit den Materialien durchgeführt haben. Gleichzeitig konnte ich durch die Kooperation immer auf den aktuellen Forschungsstand im Faserverbund zugreifen. Dank der Zusammenarbeit habe ich nun eine zahlenbasierte und wissenschaftliche Grundlage zu HRT und kann bereits gewisse Materialeigenschaften berechnen und anhand einer Simulation bestimmen.

Kommt das auch auf den Markt?
Ja und bitte Daumen drücken. Wir sind schon eine Weile serienreif und stehen in den Startlöchern, die HRT Technologie bei unserem Partner Sunova Surfboards in Thailand zu implementieren. Denn eine Surfboardproduktion, also bis dato PU Boards, ist weder gesund für die Umwelt, noch für diejenigen, die in der Fertigung arbeiten. Die Materialien sind toxisch, nicht recycelbar und dazu noch nicht mal sonderlich haltbar. Hier gibt es eindeutig ein riesiges Verbesserungspotenzial. Demnach plane ich aktuell eine eigene HRT Fertigung in Thailand und langfristig auch in Europa.

Stichwort Surfboardproduktion. Sind genauso Windsurf- und Wingfoilboards in dieser Technologie geplant?
Klar, wir haben schon erste Wingboards in der Technologie gebaut und die Umsetzung funktioniert mühelos. Trotzdem wird für 2022/2023 der Fokus von HRT erstmal auf Surfboards und unserer Wellenreitmarke KANOA liegen. Step by step.

Wing Foil

Du bist genauso für die Entwicklung der Foils für Windsurf und Wingfoil federführend.
Ja, hier kommen viele Fäden zusammen, neben unserer R&D in Tarifa rund um Renato Morlotti entwickeln wir im Bereich Foil in enger Zusammenarbeit und Unterstützung von Malte Fürstenberg aus Hamburg. Der Luftfahrtingenieur und sein Netzwerk bringen ein gewaltiges Simulations Know-how in unser Projekt ein. Alle Profile werden so auf einer wissenschaftlichen Basis optimiert und simuliert, bevor es überhaupt zum ersten Test auf dem Wasser kommt. Dank seiner jahrzehntelanger Tragflächen-Entwicklungserfahrung weisen unsere Flügel eine unglaublich hohe Effizienz auf und erzeugen mehr Lift und Stabilität pro Fläche. Förderlich dabei ist, dass Malte Fürstenberg langjähriger Windsurfer und mittlerweile auch begeisterter Wingfoiler ist. Er testet die Foils selber auf Herz und Nieren und wir haben gemeinsam eine Range an Foils geschaffen, die wir im Laufe des Jahres vorstellen werden. Dabei unterliegt unsere Entwicklung immer dem bionischen Ansatz. Wir lassen uns bei der Formgebung der Wings von der Natur inspirieren und übernehmen - je nach späterem Einsatzbereich des Foils - ganz gezielt Flügel-Eigenschaften und Flügel-Formgebungen. Letztendlich stecken viele tausend Jahre Evolution in jedem Flügel oder Flosse und diese Vorgehensweise, die sogenannte Flugbionik, ist gängig in der Luft- und Raumfahrt. So basiert beispielsweise unsere modulare HY-Foil Wing Modellreihe auf den Flügeln des Albatros und den Flossen des Delphins. Ich weiß, das klingt sicher erstmal schräg, ist aber tatsächlich so. Das Foil spricht auf jeden Fall für sich.

Bei Gunsails wird euer Programm ebenso breiter.
Ja, das ist unsere Strategie. Der Wassersport hat sich in den letzten Jahren rasend schnell und auf allen Ebenen verändert und wir wollen unseren Kunden ein möglichst ganzheitliches Sortiment anbieten. Dabei können wir uns als Unternehmen nicht nur breiter und diversifizierter aufstellen, sondern können gleichzeitig unglaublich viele Synergien nutzen. Egal ob in der Entwicklung, Sourcing, Marketing oder Logistik. Was wir im Windsurfen gelernt haben, können wir auf andere Bereiche im Wassersport anwenden. Es ist ein enormes Privileg, dass ich auf dieser Basis aufbauen kann und Gunsails und alle zugehörigen Kategorien in die Zukunft führen darf. Ich persönlich habe riesigen Spaß daran, bestehende Produkte zu hinterfragen und neue, innovative Lösungen und Produkte zu finden. Doch auch hier arbeiten wir Step by Step und im Rahmen unserer Möglichkeiten. Wir sind ein familiengeführtes Unternehmen und haben keine Millionen fremdfinanziertes Entwicklungsbudget. Kontinuierliches und gesundes Wachstum ist für uns der richtige Weg.

Lass uns das an dieser Stelle nochmal ausholen, ihr seid im letzten Jahr mit einem Wing gestartet.
Der Hy-Wing, der sowohl fehlerverzeihend als auch performant ist, hat bei Käufern und Magazinen Anklang gefunden. Wir werden nun den HY-Wing V2 und ein noch reaktiveres und anspruchsvolleres Modell, den HY-Wing Omega vorstellen. Dazu kommen weitere Frontflügel für den HY-Foil Wing in den Größen 1000, 1300 und 2000. Dazu das passende Hardboard in vier Größen sowie eine Inflatable Wingboard Kollektion.

Wie gesagt wohnst und arbeitest du teilweise an der französischen Atlantikküste. Das wird deiner Leidenschaft, dem Wellenreiten, geschuldet sein?
Genau, ich bin mit allen gängigen Wassersportarten aufgewachsen und sie sind ein essenzieller Bestandteil meines Lebens. Unter anderem das Wellenreiten. Diese Vielfältigkeit an Boardsportarten hat mir auch meinen Ausflug in die Snowboard Freestyle Disziplin ermöglicht. Vergangenes Jahr habe ich dann unser Kanoa Entwicklungszentrum ins Baskenland verlegt. Hier liegt der Fokus klar auf der Composite R&D, aber ich kann von dort aus alle Wind- und Wingsurf Themen vorantreiben und alle unsere Produkte selber testen. Somit ist der Standort nicht nur ein Mehrwert für unser Unternehmen sondern auch für mich persönlich.

Thilo, Du bist auf der einen Seite der studierte Entwickler, der es von der Pike auf gelernt hat und genauso auf der anderen Seite noch der „Chefstratege“ im strategischen Marketing von Gunsails.
Ja, ich bin nicht nur in der Entwicklung tätig, sondern kümmere mich auch um die Vision und die Marke selbst. Angefangen vom Logowechsel und Rebranding vor einigen Jahren bis hin zu unserer Sustainability Roadmap heute. Aber als Chefstratege würde ich mich trotzdem nicht bezeichnen. Die Gunsails Strategie funktioniert nur dank eines unglaublich engagierten Teams aus spannenden Charakteren, die mindestens genauso viel Herzblut und Engagement in dieses Unternehmen stecken wie ich selbst. Etwas, was heutzutage nicht unbedingt selbstverständlich ist. Ein großes Dankeschön an unser ganzes Team an dieser Stelle! Wer schon mal mit uns in Kontakt war, hat das sicher schon gemerkt. Spätestens dann, wenn er per Express seine Bestellung oder ein Ersatzteil mit persönlicher Notiz auf den Campingplatz nach Italien geliefert bekommt.

Kanoa Surfboards

Und jetzt nochmal eine ganz grundlegende Frage, warum sollen sich Wassersportler für Gunsails entscheiden?
Der direkte und zuverlässige Ansprechpartner, mit herausragendem Preis/Leistung-Verhältnis und hoher Qualität. Früher fürs Windsurfen, jetzt in mehr Bereichen des Wassersports.
Dabei ist Gunsails mehr als nur ein Produkt. Durch unsere direkte Vertriebsstruktur sind wir deutlich näher an unseren Kunden und können einen persönlichen Service bieten, Feedback sammeln und Kundenwünsche und Anregungen umsetzen. Egal mit welchem Anliegen jemand zu uns kommt, sei es ein Ersatzteil, ein Spot-Tipp oder mit einer Story aus seinem letzten Urlaub, wir sind der zuverlässige und freundliche Ansprechpartner rund ums Thema Wassersport.

Dazu gilt zu betonen, dass wir unserer Tätigkeit aus Überzeugung und Liebe zum Sport nachgehen, bei uns stehen Gewinne oder Rendite nicht im Vordergrund. Wir lieben Wassersport und haben Freude daran, unseren Kunden qualitativ hochwertige und innovative Produkte zu fairen Preisen anzubieten. Nicht mehr und nicht weniger! Bei all den Neuerungen ist es mir unglaublich wichtig, dass wir im Kern des Unternehmens das bleiben, was wir immer waren.